Die Angst und das Bereuen der Vergangenheit

Rechtshänder - Beidhändig - 2012- AygenhändigIch will nicht viel über sie schreiben, nur erwähnen, dass es sie auch gab. Die Momente der Angst, die Rückschulung nicht zu schaffen, von nun an für immer langsam Schreiben zu müssen. Die Momente wo sich Schreiben mit links schwerfällig und langsam anfühlte und Schreiben mit rechts einfach nur falsch.

Ich hatte Angst, dass meine linke Hand es niemals richtig lernen würde und gleichzeitig war es keine Alternative mehr wieder mit Rechts zu schreiben, denn ich hatte keine Lust wieder Kopf- und Rückenschmerzen zu haben.
Dann gab es noch die Momente des Haders mit der Vergangenheit: Wie wäre mein Leben verlaufen, wenn ich von Anfang an Linkshänderin gewesen wäre?
Warum hat es niemand bemerkt? Wie wäre ein Leben ohne Kopf-, Rückenschmerzen, Krankengymnastik und diverse Arztbesuche gewesen? Wie wäre meine Schulzeit gewesen?
Inzwischen kann ich sagen, dass mich die überwältigende Erfahrung der Rückschulung und meine heutige Beidhändigkeit  für diese Momente entschädigt hat. Trotzdem gab es sie natürlich.

Es bringt nichts, zurück zu schauen. Ebenso bringt es mir nichts meinen Eltern oder Lehrern vorzuwerfen, dass niemand auf die Idee gekommen ist, dass ich vielleicht mit der falschen Hand schreibe.
Es ist schade, dass man mich statt dessen mit Schönschrift-Übung und Mathe-Nachhilfe (es war widerlich!) gequält hat. Aber was will man machen.

Ein Spruch von mir mit 16 Jahren auf einer leer abgegebenen Mathearbeit:

„Mathematik ist ein Schatten,
der sich mir immer wieder schemenhaft zeigt.- 
Doch sobald ich glaube eine Struktur zu erkennen
und versuche danach zu greifen,
zerfließen die Schatten ins Nichts.“ 

So war ich als Rechtshänderin. Zu vielen Dingen unfähig, aber das mit Stil. – So sind wir Künstler.
Ich kann nur sagen, dass es mir sehr geholfen hat die Vergangenheit mit Humor zu nehmen. Ist es nicht lustig, dass ich heute plötzlich rechnen und sauber schreiben kann? Ohne etwas anderes dafür zu getan zu haben, als mit Links Schreiben und Malen gelernt zu haben? Wenn man bedenkt wie viele Menschen ich mit meiner Eloquenz und meinem künstlerischen Talent auf der einen – und meiner vollkommenen Zahlen-Unfähigkeit, auf der anderen Seite, an die Grenze ihrer Pädagogik und anschließend in die Verzweiflung getrieben habe, ist es doch eigentlich zum lachen, oder?